Wunderbarer weiblicher Zyklus

Wunderbarer weiblicher Zyklus

Oder Warum Hormone keine Krankheit sind

 

Frauen sind Rhythmus. So wie wir als Teil der Natur im Jahreszeitenrhythmus leben: Im Frühling wachen wir auf, recken und strecken uns und werden neugierig auf das Jahr. Im Sommer genießen wir das Draußen und die warme, sonnige Welt mit allen Sinnen, im Herbst und Winter ziehen wir uns so langsam nach Hause zurück, werden heimeliger und verarbeiten unsere Jahreseindrücke.

 

Auf dieselbe Weise schwingen wir in unserer fruchtbaren Lebensphase zwischen allererster Menstruation, Menarche genannt, und der letzten Menstruation, also dem Beginn der Menopause , Monat für Monat in unserem Zyklus. Das tun wir hauptsächlich mithilfe unserer Sexualhormone Östrogen und Progesteron, die unsere Zyklusphasen begleiten und steuern. Hormone sind die Kommunikationskünstler im menschlichen Körper, als Botenstoffe regulieren sie eine Vielzahl körperlicher Funktionen.

 

Und ganz ähnlich dem Jahreszeitenrhythmus bewegen auch wir uns in einer östrogengeleiteten weltoffenen extrovertierten ersten Zyklushälfte und einer eher introvertierten zweiten Zyklushälfte, in der wir uns auf uns selbst besinnen und die vom Progesteron bestimmt wird.

 

Was aber passiert eigentlich biologisch im Zyklusgeschehen der Frau? Wir schwingen fein abgestimmt rhythmisch im hormonellen Gefüge unseres Monatszyklus. Auch der weibliche Zyklus folgt wie jeder Lebensrhythmus zwei unterschiedlichen Phasen - die Follikelphase in der ersten Zyklushälfte und die Gelbkörperphase in der zweiten. In der ersten Zyklushälfte bestimmt das Östrogen die weiblichen Aufbauprozesse – das Ei reift im Eileiter heran und die Gebärmutter kleidet sich mit einer verstärkten Schleimhaut aus, um später das Ei empfangen zu können. Der Zervixschleim wird flüssiger, um den Spermien ihre Reise zum Ei zu erleichtern. In dieser Zyklushälfte des Aufbaus und Wachstums, des „Einatmens“ fühlen Frauen sich meist gut gelaunt, unternehmungslustig und nach außen orientiert. Nach dem Eisprung fällt das Östrogen ab und in der Gelbkörperphase übernimmt das Hormon Progesteron, das aus der Hülle des gesprungenen Eis gebildet wird, die Gestaltung der Körperprozesse. Die Körpertemperatur steigt um rund 0.5 Grad an. Die Gebärmutterschleimhaut wächst nicht mehr, sondern gestaltet sich nun so um, dass sie das befruchtete Ei empfangen, einnisten und nähren kann. Der Zervixschleim wird zähflüssig, die Spermien werden an der Fortbewegung gehindert. Hat keine Befruchtung stattgefunden, stirbt der Gelbkörper ab, der Progesteronspiegel sinkt und die Gebärmutterschleimhaut wird mit der einsetzenden Menstruation abgebaut. In der zweiten Zyklushälfte geht es also um Differenzierung, quasi um das „Ausatmen“ und die Frage, welche Folgen das Einatmen – die aktive, empfängnisbereite erste Zyklushälfte - im Frauenleben zeigen wird. Entsprechend ist diese Phase seelisch meist von einem Wunsch nach Ruhe, Innenschau und der Verarbeitung geprägt. Frauen brauchen Zeit und Ruhe für sich und sind empfindlicher gegen Störungen von außen.

 

Aber nehmen wir das Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug noch wahr? Können wir ihm Raum geben? Ist der Wunsch nach seelischer Einkehr und Verarbeitung äußerer Eindrücke lebbar in einer Gesellschaft, die permanente Leistungsbereitschaft und unablässiges Funktionieren als Norm ausgegeben hat? Insbesondere für Frauen, die unter PMS leiden, sind das spannende Fragen und eine Einladung, gegen Ende des Zyklus nach innen zu spüren, vielleicht den einen oder anderen Termin aus dem Kalender zu nehmen und dort den eigenen Namen für ein Rendezvous zu notieren.

 

Der Zyklus ist also in den allermeisten Fällen ein perfekt funktionierender weiblicher Kreislauf des Lebens. Ich weiß natürlich aus meiner Praxis, dass Frauen, die unter hormonellen Ungleichgewichten leiden, oft einen hohen Leidensdruck haben und gute Unterstützung brauchen. Das gilt es bei diesem Thema immer zu würdigen.

 

Aber ich möchte an dieser Stelle einfach mal betonen, dass wir im wahrsten Sinne des Lebens gut gebaut sind. Die vielen Artikel und Ratgeber zu Themen wie Wechseljahre, PMS oder anderem „Hormonchaos“ vermitteln bisweilen den Eindruck, ohne Substitute aus Kosmetik oder der Apotheke kommen wir nicht heil durchs Leben, wir müssen uns per Konsum optimieren. Frauen, die sowieso viel zu oft in Defiziten denken, was den eigenen Körper oder die eigene Kompetenz angeht, werden hier unnötig verunsichert. Wir haben von Natur aus alles, was wir brauchen. Es ist richtig gut so wie es ist.

 

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